Evaluation des Projekts MundART WERTvoll
Mundart ist Teil der bayerischen Lebenswirklichkeit. Sie ist essentielle Grundlage einer regionalen Identität. Oft totgesagt, ist die Mundart dennoch immer noch quicklebendig. Zwar sind Mundarten wie andere Sprachschichten auch, also Umgangssprachen, Soziolekte (beispielsweise das neuerdings vielzitierte „Kiezdeutsch“) oder auch die Hochsprache, prinzipiell dem historischen Wandel unterworfen, dennoch bleibt die Tatsache unbezweifelbar, dass es auch in den kommenden Jahrzehnten regionale Varianten des Hochdeutschen, sogar des Oberdeutschen, in Bayern geben wird. Dabei eignet dem Freistaat Bayern als vergleichsweise großer mitteleuropäischer Flächenstaat schon geographisch bedingt aber auch aufgrund seiner Geschichte besondere Vielfalt der Mundarten, nämlich in mehreren Sprachlandschaften des Hochdeutschen, konkret etwa im Süd-, Mittel- und Nordbairischen, im Ostschwäbischen und Ostfränkischen, um nur einige herausragende Vertreter der bayerischen Vielfalt zu benennen.
Vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus hat das Projekt MundART WERTvoll eine wesentliche Existenzberechtigung, weil die je lokale Mundart von den Sprechern als ihr Eigenes und damit als wertvoll empfunden wird. Wichtig ist etwa, dass die Sprecher etwa des Ostschwäbischen ihre Mundart als durchaus unterschiedlich zur mittelbairischen Mundart wahrnehmen, wie sie in populären Sendungen des BR (Dahoam is dahoam) anklingt, aber als nicht weniger wertvoll. Die Mundart des Dorfes oder der Stadt verleiht so erst regionale Identität innerhalb Bayerns. Es geht also auch um die Werthaltigkeit der ganz verschiedenen Mundarten innerhalb Bayerns, nicht nur, wie man vielleicht zunächst glauben möchte, um die Abgrenzung der Mundarten in Bayern von den Mundarten in anderen Bundesländern oder der deutschen Hochsprache.
Darüber hinaus ist die Mundartenfrage in einen weiteren, letztlich soziologisch zu fassenden Kontext eingebunden: Dass es beispielsweise ein Bedürfnis nach regionaler Identität gerade bei der Jugend gibt, zeigen die zahlreichen „Dirndl- und Lederhosenträger“ auf diversen Volksfesten, auch wenn dabei nur zum Teil von authentischem Brauchtum gesprochen werden kann. Dieses letztlich ethnologisch zu fassende Phänomen erweist jedenfalls die Sehnsucht nach der Regionalisierung in der Bekleidung, durchaus als Antwort auf die als teilweise als bedrohlich empfundene Globalisierung. Man kann sagen, dass die Besinnung auf Regionalität eine Antwort auf die Globalisierung sein kann. Jedenfalls deutet sich hier ein Bedürfnis nach regionaler Identität an, das eben auch sprachlich in der Mundartpflege manifest werden kann.
Mundartpflege ist aber kein Selbstläufer, sie bedarf vielmehr der engagierten und sprachwissenschaftlich bewussten Förderung, weil hier (zum Teil unbewusst) auch bei vielen (älteren) Dialektsprechern immer noch das Bewusstsein vorherrscht, ein eigentlich schlechtes Hochdeutsch zu sprechen. Dem widersprechen heute freilich die Erkenntnisse der modernen Sprachwissenschaft. Jüngere Forschungen haben sogar ergeben, dass Mundartsprecher, weil sie mit dem Erlernen der Hochsprache quasi zweisprachig sind, später Vorteile beim Erlernen von Fremdsprachen haben. Vor diesem Hintergrund ist es ein wesentliches Ziel des Projekts MundART WERTvoll, gerade die im Alltag gelebte Mundart vor Ort als wertvoll zu erleben.
Dieses Erlebnis gilt es im bewussten und kreativen Handeln vor Ort in verschiedenen Formen und Medien aktiv zu ermöglichen beziehungsweise zu verstärken. Konkret ist an künstlerische Formen wie Musik, Theater, Literatur allgemein zu denken, von etablierten Formen wie dem Mundartgedicht bis hin zu (vermeintlich) neuen Formen wie creative writing oder poetry slams. Selbstverständlich wird auch die Interaktion mit Soziolekten und Dialekten von Sprechern mit Migrationshintergrund berücksichtigt.
Der Evaluationsansatz umfasste fünf Kriterien, die jeweils in die Gesamtbewertung eingingen.
2.1. Fachliche Kompetenz
Hier ging es um die Problematik, ob die im Einzelfall sichtbar werdende projektbezogene Mundartpflege empirisch und methodisch mit den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Dialektologie (etwa bezogen auf den jeweiligen Ort) übereinstimmt. Konkret gefasst ging es beispielsweise darum, wie authentisch (und sachgerecht) die lokale Mundart zum Tragen kommt und wie sprachwissenschaftlich reflektiert ihr Einsatz durch die Projektleiter erfolgte. Im negativen Fall wären etwa Fälle von Hyperkorrekturen zu bemängeln gewesen, welche andererseits nicht ohne wissenschaftlichen Wert bei der abschließenden wissenschaftlichen Auswertung des Gesamtvorhabens gewesen wären.
2.2. Wertevermittlung
Hier ging es um die Frage, ob das Projekt tatsächlich bei allen Beteiligten den Eigenwert der Mundart vermittelt, mit allen Möglichkeiten und Grenzen. Lernten die Mundartsprecher den Eigenwert der Mundart schätzen, auch und gerade in Abgrenzung zur Hochsprache oder zu weiteren Dialekten und Soziolekten in Deutschland und Bayern? Wurde eine Wertschätzung auch anderer Mundarten vermittelt, jenseits eines einseitigen Mia san Mia? Tatsächlich umfasst die Wertevermittlung bei den Mundarten eine individuell auszutarierende Balance zwischen dem zu überwindenden Gefühl der Minderwertigkeit vieler Mundartsprecher und einer ebenfalls zu vermeidenden Ausgrenzung von Nichtmundartsprechern. Nicht zuletzt galt es auch, moderne Werteparadigmen wie Inklusion zu berücksichtigen.
2.3. Kreative Kompetenz
Diese umfasste den Umgang mit medialen Mitteln und künstlerischen Formen, sowohl als Eigenwert wie nach ihrer kommunikativen Funktion bezüglich der Projektbeteiligten und einer anvisierten Öffentlichkeit.
2.4. Altersbezug
Selbstverständlich war individuell zu bewerten, ob es sich bei den Projektteilnehmern um Grundschüler oder Gymnasiasten etwa handelt, auch im Sinne der Frage, ob die Anforderungen des Einzelprojekts die Teilnehmer (entwicklungspsychologisch) unter- oder überforderten oder gar an der durchschnittlichen Lebenswirklichkeit der Schüler etwa vorbeigingen. Konkret ging es um die Frage, ob im Einzelprojekt dem Alter der Teilnehmer angemessen Rechnung getragen wurde.
2.5. Gesamtwertung
Aus der Abwägung der Punkte 2.1. bis 2.4. wurde jeweils eine Note von 1 bis 6 (im Sinne der Schulnoten) gebildet, die die Tauglichkeit der im jeweiligen Projekt erarbeiteten Pläne und Inhalte zur nachhaltigen Pflege der Mundart deutlich machte. In der Summe sollte aber für alle Beteiligten der olympische Geist gelten: Dabei sein ist alles!
Durch diesen Evaluationsansatz konnte weitgehend unabhängig von Alter und intellektuellen Voraussetzungen der Teilnehmer eine für alle vergleichbare und gerechte Beurteilung erreicht werden.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der teilnehmenden Schulen (Grundschule Füssen-Schwangau, Grundschule Grabenstätt, Grund-, Mittel- und Realschule Odelzhausen, Hallertauer Mittelschule Mainburg, Gregor-von-Scherr-Schule, Staatl. Realschule Neunburg vorm Wald, Karl-von-Closen-Gymnasium Eggenfelden, Landgraf-Leuchtenberg- Gymnasium Grafenau, Gymnasium Neutraubling, Neues Gymnasium Nürnberg, Ortenburg Gymnasium Oberviechtach) waren insgesamt mehr als nur beeindruckend. Nicht in Noten bewertbar war der hohe Einsatz an Idealismus, Lebenszeit und individueller Motivation. Im Falle von Mundart grenzenlos – grenzlose Mundart (Ortenburg Gymnasium Oberviechtach/Karl-von-Closen-Gymnasium Eggenfelden) konnte sogar die Zensur „summa cum laude“ (mit höchstem Lob) erteilt werden.
Prof. Dr. Klaus Wolf
Deutsche Literatur und Sprache des
Mittelalters und der Frühen Neuzeit
mit dem Schwerpunkt Bayern
Universitätsstraße 10
D-86159 Augsburg